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KV-Reform 2023 öff. Verwaltung Kontakt Datenschutz




Stellungnahme des Autors von buechhaltig.ch

Die KV-Reform von 2023 ist ein Kind dieser Zeit. Sie stellt eine Abwendung von konkretem Wissen hin zum überbordenden neu Thematisieren und neu Definieren unzähliger Umstände bis ins kleinste Detail dar, wobei der eigentliche Inhalt auf der Strecke bleibt und dieses ganze Geschwurbel gewissermassen zum Selbstzweck erhoben wird. Anstatt sichere Fertigkeiten in Sprache und Rechnungswesen werden da so Nebenthemen und abstruse Ziele behandelt wie zum Beispiel:

(Leistungsziel) Sie informieren sich im Arbeitsmarkt über Trends und Entwicklungsmöglichkeiten in ihrem Berufsfeld.
(unter Kaufmännische Kompetenzentwicklung überprüfen und weiterentwickeln)

Sie beurteilen verschiedene Wohnungsangebote aufgrund ihrer Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten.
(Als selbstverantwortliche Person in der Gesellschaft handeln)

Sie bearbeiten kaufmännische Aufträge und Aufgaben dienstleistungsorientiert.
(Kaufmännische Aufträge entgegennehmen und bearbeiten)

Sie planen einen kleinen Anlass
(Aufgaben und Ressourcen im kaufmännischen Arbeitsbereich planen, koordinieren und optimieren)

Sie wenden Konfliktlösungsstrategien im Team an.
(In unterschiedlichen Teams zur Bearbeitung kaufmännischer Aufträge zusammenarbeiten und kommunizieren)

Sie erläutern organisatorische Veränderungsmöglichkeiten im betrieblichen Bereich kritisch.
(Betriebliche Veränderungsprozesse mitgestalten)

Sie bereiten betriebsbezogene Inhalte zielgruppenorientiert mit geeigneten Programmen multimedial auf.
(Betriebsbezogene Inhalte multimedial aufbereiten)

Auf diese Liste, die beliebig fortgesetzt werden könnte, kann mit von ironisch "Oh, alle Achtung!" bis resigniert "Viel Glück" reagiert werden.


Für das Rechnungswesen stellt die Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen im Lernfeld 5: "Grundlagen des Rechnungswesens erläutern" ganze 50 Lektionen zur Verfügung.

Behandelt werden dort allgemein unter "Finanzielle Vorgänge betreuen und kontrollieren":

Sie erläutern die grundlegenden Funktionen des finanziellen und des betrieblichen Rechnungswesens
Sie zeigen den Aufbau einer Erfolgsrechnung und einer Bilanz auf
Sie erläutern Funktion und Ablauf von Zwischen- und Jahresabschluss
Sie erstellen Budgets, Abrechnungen, Aufstellungen und Kalkulationen über Kosten und Erlös und leiten Handlungsempfehlungen ab

Unter der Option "Finanzen" wird dann mit

Bilanz, Erfolgsrechnung, Liquidität, Hilfsbücher Deckungsbeitragsrechnung und Betriebsabrechnungsbogen
Sie verbuchen Geschäftsfälle entsprechend den relevanten rechtlichen Vorgaben
Sie beschreiben die zentralen Merkmale einer Lohnbuchhaltung inklusive der Sozialabgaben korrekt
Sie erläutern die grundlegenden Prinzipien beim Jahresabschluss im finanziellen Rechnungswesen

das "ganz grosse Feurerwerk" gezündet...


Im gleichen Bildungsplan zur Verordnung über die berufliche Grundbildung erscheint der Begriff "Deutsch" nirgends, dafür aber unter "Politische Themen und kulturelles Bewusstsein im Handeln einbeziehen" die Begriffe "Demokratie", "Migration" und gar "Kunst."

Beispiel:

Sie informieren sich über aktuelle Fragen der Migration und des Asylwesens.
(Politische Themen und kulturelles Bewusstsein im Handeln einbeziehen)

Dies können Bestandteile einer Grundbildung sein, nicht aber einer beruflichen Grundbildung. Ansichten zu Politik und Emotionen sind erst einmal immer privat und gehören nicht in die Hände einer beliebig orientierten Lehrkraft an einer Berufsschule.


buechhaltig.ch teilen Betriebe denn auch vermehrt mit, dass sie selbst seit der KV-Reform den Auszubildenden sehr viel mehr Theorie vermitteln müssen. buechhaltig.ch hat hier unterstützend die Funktion eines Lückenbüssers erhalten, an den sich viele Ausbildende und auch neue KMU-Unternehmer wenden, weil die Funktion der Berufsschule des sachlichen Wissensvermittlers zum Thema Rechnungswesen grösstenteils weggefallen ist.

Diese Reform enthält keine eindeutigen Massstäbe, alles wird diesem so sehr verherrlichten zwischenmenschlichen Austausch überlassen. Das ist ein grosser Irrtum, die Wirklichkeit spielt sich nach ihren stets vorhandenen strengen Regeln ab, da hilft kein zwischenmenschliches Geschwätz weiter.

Diese Reform überlässt die Durchführung dieser sogenannten Ausbildung den jeweiligen Personen und Situationen. Klar definierte (wenn doch immer schon so gerne definiert wird) Werkzeuge werden keine genannt.

Diese Reform gefällt sich so sehr in ihren eigenen Ideen, ihre Anwendung in der Praxis berücksichtigt sie nicht.

Es ist doch sonnenklar, dass ein KMU weder Zeit noch Musse hat, Kundengespräche als aufbauendes Schulungselement den Auszubildenden zu überlassen, und sie ist deswegen nicht etwa eine schlecht ausbildende Unternehmung.

Und Gespräche mit einem unbequemen Lieferanten können auch nicht mit dem Hinweis auf ein Ausbildungsbedürfnis den Auszubildenden überlassen werden, da gehört die Geschäftsleitung her, sonst wird da gar nichts mit der Beschaffung.

Ein KMU kann sich dieses in der Reform vorgesehene "Schülerlis" schlicht nicht leisten.

Die gleiche Problematik ist auch mit der in der Reform vorgesehenen Konfliktlösungsstrategie geschaffen worden: In den allermeisten KMU besteht zwischen der Unternehmung und den Auszubildenden ein angenehmes Verhältnis mit gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Verständnis, ein Durchspielen eines Konfliktlösungsszenarios schmerzt hier einfach nur. Es könnten hier beliebig weitere solche Beispiele aufgeführt werden.

Es stünde diesem Beruf gut an, Deutsch, Rechtskunde und Buchhaltung wieder im Ausbildungsplan zu haben, wenn auch in verschlankter Form. Es müsste dabei ja nicht mehr kleinlich auf Standards des letzten Jahrhunderts beharrt werden, Konjunktiv II, Auflösung einer Gesellschaft oder Stille Reserven zum Beispiel brauchen nicht mehr ihre bisherige Prominenz. Da es wohl illusorisch ist, dies im jetzt bestehenden Ausbildungsmodell unterzubringen, böte sich dazu ein berufsbegleitendes Zusatzjahr an, das durchaus auch von privaten Institutionen als Startup vermittelt werden und von den Arbeitgebern, vielleicht sogar mit Kostenbeteiligung, verlangt werden könnte.






Weitere Feststellungen zu Unterrichtsformen

Schon von Beginn im Jahr 2005 an war bei buechhaltig.ch zum Thema Unterrichtsformen zu lesen:

Beginn der Auszüge
So wie im Sport oder auch im Strassenverkehr Regeln bestehen, gibt es auch in der Buchhaltung viele Bestimmungen, die eingehalten werden müssen. Wer sich von Anfang an auf diese Bedingung einstellt, dem fällt die Arbeit schon ein ganzes Stück leichter.

In politischen Auseinandersetzungen, aber auch auf der Stufe von Schulleitungen und Lehrkräften, ja, auch auf der Ebene der Verlage, fühlen sich leider immer wieder Leute berufen, neue Unterrichtsmethoden zu fordern oder gar selbst zu erfinden. So gibt es momentan den Hype für alles, was in Richtung "selbst Erforschen" oder "Kompetenzerwerb" usw. geht. Dafür wird alles verpönt, was nach "pauken" und "büffeln" oder gar nach "Frontalunterricht" klingt. Dabei können namhafte Bildungswissenschaftler mit der Erkenntnis aufwarten, dass gerade so rationale Themen, wie es die Buchhaltungsregeln nun mal sind, in der Vermittlung auf die herkömmliche Weise am vielversprechendsten gelehrt und gelernt werden können. Kreativität kann sich eher in Stoff bewähren, der sich weniger rational verhält, aber selbst dann schneiden "moderne" Unterrichtsmethoden in wissenschaftlich durchgeführten Untersuchungen insgesamt nicht besser ab als die alten.

In Buchhaltung zum Beispiel hilft es einem Anfänger wenig, in "selbständigem Herantasten" eine Methode zur Buchführung zu finden, die sich höchstens zufällig mit der starren Struktur der feststehenden Regeln des Buchungssystems decken wird. Wenn sein Ergebnis das Ziel verfehlt, muss er es fallen lassen, selbst wenn es bestenfalls auch eine praktikable Lösung darstellen könnte. Also was soll denn das Ganze?

Zudem können "moderne" Unterrichtsmethoden ohnehin und bestenfalls nur intelligenten bis überdurchschnittlich intelligenten Studierenden zum Vorteil gereichen. So wie es die Kinder des Autors auf dem Punkt bringen (und sie sind aufgrund ihrer Beobachtungen während ihres Mittel- und Hochschulbesuches zu solcher Feststellung berechtigt und befähigt): Dem "Dummen" helfen die "modernen" Unterrichtsmethoden schon rein gar nichts, denn er ist schlicht nicht in der Lage, den Weg der Problemlösung selbst zu begehen; er wartet eh die Viertelstunde, die Stunde oder die Woche zwangsläufig tatenlos ab, bis die Lehrperson schlussendlich die Lösung von sich aus verkündet, die er dann auswendig zu lernen versucht.

Der Autor ist der Überzeugung, dass heutige Lernerfolge nicht auf die "modernen" Unterrichtsmethoden zurückgeführt werden können, sondern auf die Tatsache, dass es überall immer noch Leute gibt, die den Studierenden ausserhalb solch "progressiver Schulen" ganz normal erklären, wie es geht, also Vorgesetzte, Buchhalter, Mitarbeiter, Eltern - und natürlich auch www.buechhaltig.ch ...

Das ganze Publikum sei an dieser Stelle ermutigt, seine Ablehnung gegenüber konventionellen Unterrichtsformen zu überwinden. Diese bedeuten nicht, dass man mit den Studierenden nicht anständig umgehen darf, oder dass der Unterricht gar unattraktiv oder unangenehm sein muss. Der Autor hielt sich an einen moderaten Frontalunterricht, der aber stets gut gelaunt und deshalb meist humorvoll/angenehm gehalten wurde. Ein toller Klassengeist und jeweils am Ausbildungsende viele erfolgte Danksagungen aus dem Mund von sonst eher "wilden" beziehungsweise "allzu kreativ orientierten" Studierenden haben die Richtigkeit dieses Vorgehens bestätigt.
Ende der Auszüge



Seit diesen 20 Jahren hat sich dieses Treiben um die Unterrichtsformen nicht beruhigt, im Gegenteil, mit der KV-Reform 2023 ist diesbezüglich ein vorläufiger Gipfel erreicht worden.

Aus diesem Grund wiederholt buechhaltig.ch hier seine Ansicht dazu wie folgt:

Viel erfolgsversprechender und wichtiger als solche formale Entwicklungen ist die dringend notwendige Abkehr von der Verteufelung von Frontalunterricht sowie Leistung und Bewertung in der Schule.

Frontalunterricht, Leistung und Bewertung werden zum Beispiel in Kochkursen, Computerkursen, Fahrschulen oder auch in der Anleitung zum Blumenbinden oder der Säuglingspflege, aber auch an Universitäten und Fachhochschulen ganz selbstverständlich angewandt und auch als etwas ganz Selbstverständliches betrachtet, es wird sogar noch aus eigener Tasche bezahlt und nicht als etwas Nachteiliges verschrien.

In der Primarstufe und der Sekundarstufe I ist die Ablehnung dieser sinnvollen Elemente der Schulung so lange betrieben worden, bis sie sich jetzt als vermeintlich zutreffendes Urteil etabliert hat.

Ein radikales Umdenken ist eben gerade in diesen Beziehungen vonnöten.

Der Frontalunterricht ist nicht etwas Böses, im Gegenteil, er ist wegen seiner Wirksamkeit eine vorteilhafte Unterrichtsform. Er sollte nicht autoritär erteilt werden, sondern in normalem Gesprächston, wie liebende Eltern ihren Kindern auch zeigen, wie zum Beispiel ein Kuchen gebacken oder ein Boot angelegt wird. Eine freundliche, ja, mit etwas Humor versehene Lehrkraft ist viel mehr wert als jede noch so "moderne Unterrichtsform".

Leistung ist nicht etwas Unmenschliches und unbedingt zu Vermeidendes, sie ist im Schulbetrieb jeweils nur in kurzen Abschnitten von unter einer Stunde notwendig. Vergnügen ist nicht verboten, aber leider nur zeitlich getrennt möglich. Deswegen geht die Welt nicht unter. Immerhin erwirbt man sich mit diesem Aufwand eine gewinnbringende Zukunft, denn die Realität funktioniert nicht nach dem Wohlfühlprinzip eines jeweiligen Teilnehmers, sondern nach strengen Regeln, die zu kennen und zu beherrschen von Vorteil ist.

Bewertung in Form von Noten und Prüfungen ist zwar unangenehm, aber nichts Menschenverachtendes. Der Autor von buechhaltig.ch würde zum Beispiel niemals ein Mathematikstudium bestehen, Klavier spielen oder einen Fussballmatsch bestreiten können, so wie jeder Mensch in allen Belangen seine Grenzen hat. Sich so etwas einzugestehen ist viel ehrlicher und nützlicher als den Anspruch zu erheben, nicht von solchen abgegrenzt zu werden, die etwas besser wissen und können. Die Arbeitgeber, die so vielen Ansprüchen der Arbeitnehmer gerecht werden müssen, haben es auch verdient, über den Grad der vorhandenen Fähigkeiten wahrheitsgemäss Auskunft gebende Zeugnisse zu Gesicht zu bekommen.





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